EFA-Interessenvertreter, Dr. Johannes R. Gerstner über die Ergebnisse des Zukunftsworkshops und die weiteren Herausforderungen

Im Juni 2019 fand am Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig, in unmittelbarer Nähe zum Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ), der 1. Leipziger Zukunftsworkshop der Ofen- und Schornsteinbranche statt. Eingeladen hatten die Europäische Feuerstätten Arbeitsgemeinschaft (EFA), der Zentralverband Sanitär, Heizung, Klima (ZVSHK) und der Fachverband Schornsteintechnik. An zwei Tagen wurden in einem innovativen Workshop-Konzept die aktuellen Herausforderungen der Branche identifiziert und Schritte für die Zukunft geplant. Das Besondere: Nicht nur die Industrie war beteiligt, auch Vertreter weiterer Interessensverbände und der Politik kamen nach Leipzig.

Herr Dr. Gerstner, wie sieht denn nun die Zukunft von Ofen, Kamin und Schornstein aus?
Das ist die große Frage. Früher konnte man in einer so beständigen Branche wie unserer noch langfristig strategisch planen. Heute weiß man oft nicht, welche Herausforderungen in ein paar Monaten auf uns warten. Ein prominentes Beispiel ist etwa die Diskussion der Ableitbedingungen Ende des vergangenen Jahres, die scheinbar urplötzlich aufgeploppt ist. Und dieser Mangel an langfristiger Planung führt auch dazu, dass wir uns in einer ständigen Defensivhaltung befinden, in der wir größtenteils reagieren. Mit allen negativen Folgen für die betriebswirtschaftliche Seite, aber besonders für den technischen Fortschritt in Richtung emissionsärmere Feuerstätten. Aber eines weiß ich: Es wird eine Zukunft für die Feuerstätte geben.

Hat denn der von Ihnen gemeinsam mit den Verbänden Zentralverband Sanitär, Heizung und Klima und dem Fachverband Schornsteintechnik in Leipzig veranstaltete Zukunftsworkshop wenigstens ein wenig Klarheit gebracht?
Auf jeden Fall. Wir haben nun endlich einmal deutlich gesehen, dass unsere Ziele nicht so weit voneinander entfernt sind. Die Gesellschaft ist aktuell äußerst sensibel für Umweltfragen. Politik und Interessensverbände reagieren natürlich und bedienen dieses starke Bedürfnis. Als Industrie sind wird nicht in einer Blase. In jedem Unternehmen arbeiten Menschen. Diese Menschen haben Kinder und teilweise auch Enkel. Kein mir bekannter Unternehmer setzt willentlich aus wirtschaftlichem Kalkül die Gesundheit und Zukunft seiner Familie und Mitmenschen aufs Spiel. Nur: Wir sind, auch durch Kommunikationsfehler in der Vergangenheit, nicht so wahrgenommen worden.

Mit welchen Folgen?
Der Dialog mit uns wurde nicht gesucht, teilweise sicherlich auch, weil die Branche keine entsprechenden Signale abgegeben hat. Wir haben in Leipzig deutlich gesehen: Wenn wir unsere Situation klar zeigen und Angebote machen, dann wird uns zugehört. Wir können aktiv einen Prozess begleiten, bei dem wir bislang allenfalls Passagier zweiter Klasse waren.

Wie sieht das konkret aus?
Ein Beispiel vom Zukunftsworkshop in Leipzig: Wir haben in kleinen Gruppen gearbeitet, die wir vorher bewusst gemischt haben. Da konnte man in den Diskussionen auf einmal erleben, dass ein Industrievertreter auf einmal starke „Öko-Argumente“ vorgebracht hat, die aus völlig unvermuteter Richtung mit Hinweis auf wirtschaftliche Notwendigkeiten relativiert wurden. Ein spontaner Zuhörer hätte manchmal nicht genau sagen können, wer primär Umweltinteressen vertritt und wer Verantwortung über eine größere Zahl von Mitarbeitern und ein Unternehmen hat.

Vertauschte Welt?
Nein, eigentlich war es schon immer so. Dazu muss man die Mechanismen von Diskurs und Kommunikation genauer anschauen. Nur mit starken Forderungen erhalte ich Gehör und mediale Aufmerksamkeit. Und genau das ist die Währung der Politik. Wenn dann diese Forderungen noch zum Geist der Zeit passen, entwickelt sich eine Spirale, in der die Forderungen immer radikaler werden. Was man dann tunlichst vermeiden sollte ist mit voller Macht dagegen zu halten, egal wie rational die Argumente sind. Man befeuert eine Radikalisierung umso mehr. Letztendlich ist es wie in einem Schornstein. Erst so sorgt man für die richtige Luftzufuhr und den Druck damit das Feuer lodert. Die wahren Ziele treten in den Hintergrund. Mit dem Zukunftsworkshop haben die drei beteiligten Verbände versucht, dieser Diskussion wieder die Schärfe zu nehmen und sie auf eine anständige Basis zurückzuholen. In Leipzig zumindest haben wir das hervorragend geschafft.

Was ist denn nun konkret herausgekommen?
Es wäre natürlich vermessen zu behaupten, wir hätten in Leipzig an zwei halben Tagen die Welt gerettet. Aber wir haben Herausforderungen identifiziert und konkrete Schritte als Empfehlungen für die gesamte Branche erarbeitet. Und zwar alle Seiten, das muss man deutlich sagen. Alle Vorschläge sind nicht „industry only“. Wir haben zunächst drei Hauptfelder identifiziert, in denen wir alle sofort handeln müssen.

Die wären?
Diese Felder heißen Qualität, Verantwortung und Image. Kurz gesagt: Wir müssen den Qualitätsaspekt der Holzfeuerung stärken. Das betrifft nicht nur die Feuerstätten selbst, auch der Brennstoff muss überwacht sein und der Nutzer kompetent heizen. Bei der Verantwortung haben wir gesehen, dass jeder der Akteure zu einer emissionsreduzierten Holzfeuerung beitragen kann. Da wäre der Nutzer, der ordentlich und kompetent heizen muss, die Händler oder das Ofenbauerhandwerk, welche diese Kompetenz vermitteln können, die Schornsteinfeger, die überwachen und begleiten. Und natürlich über allem die Industrie, die umweltfreundliche und einfach zu bedienende Produkte liefern muss, und alle genannten Gruppen unterstützen muss. Und sehr wichtig: das Image. Wir werden nicht so wahrgenommen wie wir uns selbst empfinden. Eine umweltfreundliche, regionale Heiztechnologie, die Versorgungssicherheit bietet und ein Partner beim Erreichen der politischen Klimaziele ist.

Was leiten Sie daraus ab?
Aus diesen Feldern kann man viele Aufgaben ableiten. Zu viele, um sie noch in der notwendigen Zeit zu schaffen. Daher haben wir ganz konkret diese herausgegriffen, die wir sofort anpacken können. Die Brennstoffqualität muss stärker überwacht werden, wir müssen Brennstoff zertifizieren und auch nach Alternativen suchen. Beim Image empfehlen wir allen Branchenbeteiligten, den Willen zur Veränderung und die vorhandene Konstruktivität deutlich zu zeigen. Das muss koordiniert werden und auf einer Wissensbasis stattfinden. Dazu wollen wir gemeinsam mit der Forschung eine „virtuelle Bibliothek“ mit einschlägigen aktuellen Studien zur Thematik gründen. Der Nutzer soll mit koordinierten Informationen unterstützt werden. Bislang kocht jeder Verband, jedes Ministerium, jede Interessensgemeinschaft ihr eigenes Info-Süppchen. Ein Ziel wird sein, eine Bestandsaufnahme von allen vorhandenen Informationen zu machen und dann dem Nutzer wenige aber verlässliche und zielführende Informationen zu geben. Und wir werden die Idee eines „Ofenführerscheins“ für den Käufer/Betreiber als Verbände weiterverfolgen. Als weitere Maßnahmen werden wir verstärkt in Dialog mit der Politik treten, die Vernetzung bei Forschung und Entwicklung stärken und die Gesetzgebung begleiten.-Und dann wäre da noch der Klimapfad, den wir gemeinsam definieren müssen.

Was ist das?
Der Klimapfad ist eine Idee, die besonders auf Andreas Müller vom mitveranstaltenden ZVSHK zurückgeht. Im Wesentlichen handelt es sich hier um eine Roadmap, wie wir gemeinsam mit der Politik die bereits festgesetzten Klimaziele erreichen können. Wir an das Klimaziel der Zukunft und planen unsere Schritte dann in umgekehrter Reihenfolge bis jetzt. Im Prinzip ist es ein Zeitplan für die Umsetzung aller wesentlichen Schritte, um unsere Branche in die Zukunft zu führen.

Was passiert mit den Ergebnissen konkret?
Der Workshop ist kein Geheimtreffen, wir verstehen uns als öffentliches Forum, vom dem alle profitieren sollten, auch Akteure, die eventuell erst später dazustoßen sollten. Wir werden eine Präsentation der Ergebnisse verteilen und auch online stellen. Die Ergebnisse fließen unmittelbar in aktuelle Diskussionen und Positionspapiere ein. Wir wollen, dass sich möglichst alle beteiligen. Nur wenn wir alte Denkmuster und Vorbehalte überwinden werden wir eine konkrete Zukunft für die Branche schmieden. Wir sehen den Workshop als ein deutliches Signal für eine neue Branchenpolitik.

Wird der Workshop eine einmalige Sache sein?
Nein – es wird weitere Workshops geben. Besonders freuen wir uns, dass auch der HKI als deutscher Verband den Impuls aufgegriffen hat und selbst ähnliche Veranstaltungen plant. Das ist der richtige Schritt!
Herr Dr. Gerstner, herzlichen Dank für das Gespräch.

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